Ein gutes Pferd hat keine Farbe – dieser Spruch ist hierzulande wohl bekannt. Dass ein gutes Pferd auch keine Rasse hat, mag für deutsche Ohren etwas befremdlich klingen. In Nordafrika sieht man das anders.
Es scheint nicht übertrieben, vom "Berber-Boom"
in Deutschland zu sprechen. Die nervenstarken,
menschenbezogenen und intelligenten Pferde sind
bei anspruchsvollen Freizeitreitern beliebt wie nie.
"Ist das wirklich ein reiner Berber?", wollen Kaufinteressenten
häufig als Allererstes wissen – und
stellen damit eine Frage, die typisch ist für den
westeuropäischen Wunsch nach Ordnung und einer
Schubladensystematik, die den Pferden Nordafrikas
jedoch überhaupt nicht gerecht wird.
So schwer es festzustellen ist, ob in den Adern des
auserwählten Kandidaten "reines" Berberblut fließt,
so unwichtig ist die Antwort auf diese Frage für die
Menschen, aus deren Heimat das Pferd stammt. In
Nordafrika kennt man eigentlich nur passende und
unpassende Pferde – je nach Verwendungszweck
und Geldbeutel. Um Mikrochips, Papiere und Zuchtverbandsregelungen
macht man sich da eher wenig Gedanken – warum auch? Wichtig ist, dass ein Rennpferd
schnell ist, ein Arbeitpferd ausdauernd und
ein Zugpferd kraftvoll. Und diese gesamte Vielfalt
ist in Nordafrika überall in allen Schattierungen
und verschiedenen Landschlägen vertreten.
Mein Pferd ist Herr unter den Pferden.
Mit einem tiefen Zug füllt es seine Lungen mit Luft
und verdunkelt die Herzen unserer Feinde.
Wisse, dass eine Unze Ehre mehr wiegt als ein Zentner Gold.
Lass dich von niemandem jemals gefangen nehmen.
Verlasse ein Land, wo dein Stolz gelitten hat,
selbst wenn seine Mauern aus Rubinen errichtet worden wären.
Arabisches Gedicht
Das neuerdings in den europäischen Zuchtverbänden allzu genau definierte, angeblich reine Berberpferd ist selbst in Nordafrika so gut wie nicht mehr vorhanden. Besser wäre es, von den traditionellen "Chevaux de Barbarie" zu sprechen, wie man sie Jahrhunderte lang viel korrekter bezeichnete: Pferde aus dem groß bemessenen, nordafrikanischen Berberland. Pferde, die alle heute existierenden Rassen im Laufe der Geschichte maßgeblich beeinflussten und deren Vorfahren seit der Antike zu Weltruhm gelangten. Die besten Pferde im nordafrikanischen Alltag sind verschiedenste Mischungen aus den Rassen Araber und Berber und vereinen im optimalen Fall jeweils deren positive Eigenschaften. Leider hat sich im gängigen Sprachgebrauch für diese Pferde, die in Nordafrika sehr wohl als eine "Rasse" gelten und bei weitem am häufigsten vertreten sind, bisher keine andere Bezeichnung als die des "Araber-Berbers" gefunden – egal, wie exquisit das Produkt auch sein mag. Mit ein bisschen züchterischem Glück vereint der perfekte Araber-Berber Mut, Nervenstärke, Robustheit und Treue des Berbers mit der Schnelligkeit, Ausdauer und Schönheit des Araberpferdes. Diese Pferde stellen mit einem Anteil von zirka 90 Prozent an der gesamten Pferdepopulation die am weitesten verbreitete Pferderasse Nordafrikas dar, gefolgt vom reinrassigen Araber, dem Anglo-Araber und dem Berber. Der reine Araber blieb dank seines Prestigewertes erhalten, der Berber konnte dem deutlich besser verwendbaren Kreuzungsprodukt nicht mehr das Wasser reichen. Fast hätte man zu spät bemerkt, dass die Qualitäten der Berber auch in jedem Araber- Berber fließen und die begehrten Eigenschaften wie Nervenstärke, kräftiges Fundament, ein gewisser Rahmen sowie das füllige Langhaar durch zu hohen Blutanteil arabischer Pferde unwiederbringlich verdrängt wurden. Erst in letzter Minute wurden von staatlicher Seite in den letzten Jahren Bestrebungen in Gang gesetzt, die Berberzucht vor ihrem endgültigen Verschwinden gezielt zu fördern. 1987 wurde der Weltberberverband, die "Organisation Mondiale du Cheval Barbe" (OMCB) gegründet. 1989 nahm man den Berber wieder in die französischen Zuchtbücher auf. Als fremde Rasse – paradox angesichts des Einflusses, den er auf nahezu alle europäischen Rassen genommen hat.