
      	 Als passionierte Spezialistin in der Ausbildung und Verhaltenstherapie
         von Pferden hat sich Linda Weritz international einen
         Namen gemacht. Sie hat bei den namhaftesten Pferdetrainern
         und -therapeuten der Welt gelernt und setzt sich in Kursen
         und Vorträgen sowie bei der Einzelkorrektur
         unermüdlich für ein besseres Verständnis zwischen
         Menschen und Pferden ein. Im ReiterPraxis-Interview
         berichtet sie von den Möglichkeiten einer
         vertrauensvollen Partnerschaft mit unseren Pferden.
      
      	"Wer Pferde wirklich verstehen will, 
      	der "flüstert" nicht mit ihnen, sondern hört ihnen zu."
      
         Frau Weritz, kann es überhaupt so etwas
         wie echte Freundschaft zwischen Pferd
         und Mensch geben?
         Das Wort "Freundschaft" ist natürlich ein sehr weiter
         Begriff. Für mich ist entscheidend, dass ich zu
         einem Pferd ein tiefes, auf Gegenseitigkeit beruhendes
         Vertrauensverhältnis aufbauen kann. Dazu
         gehört, dass ich niemals annehme, dass das Pferd
         etwas aus "böser Absicht" tut, dass es mich ärgern
         oder frustrieren will. Mit einem Freund bilde ich
         ein Team – wir sind nicht zwei Lebewesen, die
         regelmäßig gegeneinander ankämpfen. Das Wichtigste
         ist, dass der Mensch lernt, dem Pferd zuzuhören.
         Deshalb ist das zur Mode gewordene
         Schlagwort "Pferdeflüsterer" nicht nur missverständlich,
         sondern auch viel zu oberflächlich.
         Wer Pferde wirklich verstehen will, der "flüstert"
         nicht mit ihnen, sondern hört ihnen zu. Nur dann
         erhält er auch verständliche Antworten.
      
         Und wie lerne ich, meinem Pferd
         richtig "zuzuhören" ?
         Das ist eigentlich gar nicht so schwer, wenn wir
         gelernt haben, unseren Blick ein wenig zu schulen.
         Wie reagiert das Pferd auf uns, wenn wir es
         putzen oder führen? Wie verhält es sich beim Aufsatteln?
         Wie geht es mit seinen Boxennachbarn
         und den Kameraden auf der Weide um? Wenn wir
         uns immer wieder diese Fragen ins Bewusstsein
         rufen, können wir ganz viel über den Charakter des
         Pferdes lernen, seine Vorlieben und Abneigungen
         entdecken und entsprechend selbst agieren. Wir
         studieren quasi das Pferd.
      
         Das klingt ja ziemlich wissenschaftlich …
         
         … Ja, das ist es einerseits auch, und ich spreche
         deshalb gern von "Pferdekommunikationswissenschaft".
         Andererseits gibt es für mich kaum etwas
         Spannenderes, als Pferde zu beobachten und ihre
         Signale und Zeichen verstehen zu lernen. Natürlich
         ist das erst einmal mit ein bisschen Arbeit
         verbunden – wer nur "aus dem Bauch heraus" mit
         Pferden umgehen will, muss ein begnadetes Genie
         sein. Es gibt ja inzwischen solide und wissenschaftlich
         belegte Erkenntnisse über das Pferdeverhalten, und wenn man sich dazu ein wenig
         schlau macht, kann das die Beziehung zu dem
         eigenen Pferd sehr verbessern.
         
          Man sollte also erst einmal ein paar
         "Vokabeln" lernen, bevor man sich
         mit dem Pferd beschäftigt?
         	
         Man sollte also erst einmal ein paar
         "Vokabeln" lernen, bevor man sich
         mit dem Pferd beschäftigt?
         Genau! Es gibt so viele wichtige "Begriffe", mit
         denen ein Pferd ausdrückt, was es von einer Situation
         hält. Vielleicht mal ein ganz alltägliches Beispiel
         zur Verdeutlichung: In vielen Ställen gehört
         es offenbar sozusagen zum "guten Ton", den
         Pferden nach dem Reiten die Beine abzuspritzen.
         Nun gibt es Tiere, für die das kalte Wasser einfach
         sehr unangenehm ist, die deshalb nicht stillstehen.
         Das hat mit Ungehorsam oder "Anstellerei"
         ebenso wenig zu tun wie mit dem bewussten
         Vorhaben des Pferdes, seinen Menschen ärgern zu
         wollen.
         Als Freund meines Pferdes überlege ich mir dann,
         ob das tägliche Abspritzen wirklich notwendig ist
         – ich persönlich habe da so meine Zweifel. Und
         wenn ich den Wasserschlauch einsetze, dann kann
         ich ja wenigstens vorsichtig vorgehen, also zum
         Beispiel am rechten Hinterbein beginnen, das am
         weitesten vom Herz entfernt ist. Wenn ich mir
         dann noch Mühe gebe und warme Tage nutze, um
         das Pferd langsam an das Wasser zu gewöhnen,
         kann es mir vielleicht sogar gelingen, dass das
         Pferd neue, positive Erfahrungen mit dem Wasser
         macht und das Abspritzen irgendwann gar nicht
         mehr so schlimm findet.
      	
 
         Das heißt, ich kann meinem Pferd seine
        Macken auch mal durchgehen lassen ?
        	
        Das heißt, ich kann meinem Pferd seine
        Macken auch mal durchgehen lassen ?
        
        Wie gesagt, hier kommt es darauf an, die Signale
        des Pferdes wirklich gut erkennen und verstehen
        zu können. Pferde sind ebenso wie wir Menschen
        individuell sehr verschieden. Um einen Vergleich
        aus dem zwischenmenschlichen Bereich heranzuziehen:
        Ein Kleinkind begrüße ich ganz anders
        als einen ranghohen Marineoffizier oder meine alte
        Tante. Wichtig ist, dass die Beziehung geklärt ist
        – ob zwischen zwei Menschen oder zwischen
        Mensch und Pferd. Das Pferd sucht und braucht
        einen ranghöheren Partner, um sich sicher fühlen
        zu können. Dann ist man auf dem besten Weg,
        derjenige Besitzer zu werden, den sich das eigene
        Pferd wünschen würde. Viele der "Probleme", die
        Menschen im täglichen Umgang mit ihren Pferden
        haben, würden gar nicht auftreten, wenn die Rangfolge
        geklärt wäre, wenn der Mensch sich einfach
        als verlässlich bewähren würde und sein eigenes
        Verhalten hinterfragen würde, bevor er die Schuld
        für ein Missverständnis dem Pferd zuschiebt. Ganz
        wichtig ist darüber hinaus die Stimmung, mit der
        ich mich dem Pferd zuwende. Gute Laune ist auch
        zwischen Mensch und Pferd einfach ansteckend!