Wahrscheinlich die unverwechselbarste Pferderasse der
Welt: Mit ihrer Farbe und der typischen Stehmähne erkennt
man Fjordpferde schon von Weitem auf den ersten Blick.
Doch auch die inneren Werte machen die sympathischen
Skandinavier einzigartig.
Hals über Kopf in Panik flüchten – das wäre in
einem Lebensraum mit dichtem Wald, steilen Felsen
und Klippen mehr als waghalsig.
Was also tun
bei plötzlich auftauchender Gefahr? Ganz klar: Erst
mal Ruhe bewahren, die Lage abschätzen und
dann überlegt handeln.
Genau so mussten die Vorfahren der heutigen
Fjordpferde in den nördlichen Tundren vorgehen.
Weite Steppen, um als Fluchttier richtig Gas zu
geben, gab es im hohen Norden nicht. Um gegen
Bären, Wölfe und Co. eine Überlebenschance zu
haben, erwies sich deshalb eine andere Strategie
– siehe oben – als sinnvoller. Und nach genau dieser
Strategie, als Urinstinkt fest im Wesen des
Fjordpferdes verwurzelt, handelt es noch heute.
Als "goldener Charakter" wird diese Coolness,
diese einzigartige Nervenstärke gern bezeichnet.
Ein Fjordpferd behält auch in kniffligen Situationen
des modernen Alltags einen kühlen Kopf,
schaut erst einmal, ob eine Flucht überhaupt notwendig
ist und lässt sich von seinem Reiter noch
bestens kontrollieren, während andere Pferde
schon längst über alle Berge sind, weil irgendwo
im Gebüsch eine Plastiktüte raschelte oder die Walkingstöcke
der Spaziergänger wieder einmal so
bedrohlich klapperten.
Kein Wunder also, dass sich gerade nicht so erfahrene
Pferdeleute gern ein Fjordpferd als verlässlichen
Freizeitpartner aussuchen – sei es, um sicher
durchs Gelände zu reiten, Dressurlektionen zu absolvieren,
vom Kutschbock aus den Aalstrich im Blick
zu haben oder auf Shows aufzutreten. Doch wer
meint, es angesichts dieser Gutmütigkeit und des
regulierbaren Temperaments mit "Schlaftabletten
auf vier Beinen" zu tun zu haben, irrt gewaltig!
Dass das Fjordpferd die Jahrhunderte überlebte,
ist auch das Ergebnis seiner bedingungslosen Leistungsbereitschaft,
dank der es zusammen mit dem
einwandfreien Charakter zu einer unverzichtbaren
und leicht zu handhabenden Arbeitskraft auf den
kleinen Höfen Norwegens wurde. Angepasst an das
karge, harte Leben und das teilweise nur geringe
Futterangebot war das Fjordpferd schon immer
sehr anspruchslos und genügsam. Die Jungpferde
lebten oft bis tief in den Winter hinein sich selbst
überlassen auf kargen Weideflächen. Häufig wurde
im Winter das Heu knapp, sodass man aus Not die
Pferde mit Moos, Heidekraut, Baumrinde, Blättern
und sogar Fischgräten fütterte. Das erklärt auch,
warum das Fjordpferd nach wie vor ein so ausgesprochen
guter Futterverwerter ist.
Mit dem Image eines zähen, fleißigen Arbeitsponys,
an das sich die in Finnland und Norwegen eingesetzten
Soldaten des Zweiten Weltkrieges noch
lange erinnerten, ist heute natürlich kein Freizeitreitermarkt
mehr zu bedienen. Einer sorgfältigen
züchterischen Selektion seit den 1970er-Jahren im
Ursprungsland Norwegen und vor allem auch in
Deutschland ist es zu verdanken, dass die Rasse
den Wandel der Zeiten hervorragend gemeistert
hat: Das moderne, sportliche Fjordpferd zeichnet
sich durch raumgreifende Gänge und eine exzellente
Rittigkeit aus, daneben besteht weiterhin der
kräftigere Typ mit viel Fundament.
Doch wie auch immer das Exterieur im Einzelfall aussieht: Für alle
Fjordpferde nach wie vor charakteristisch sind die
inneren Werte, die die Sympathieträger mit der
zweifarbigen Mähne zum perfekten Familienpferd
machen.
Leistungsbereitschaft, Verlässlichkeit, vielleicht auch
das charmante Äußere mögen den Wikingergott
Odin dazu bewogen haben, sich für ein Fjordpferd,
nämlich das legendäre Streitross namens Sleipnir,
zu entscheiden. Sleipnir, so erzählt man sich, ermüdete
niemals. Allein die Tatsache, dass Sleipnir
auch fliegen konnte, macht dann doch einen kleinen
Unterschied zum Fjordpferd heutiger Tage.