Reiterpraxis.


Japanisches Bauchgefühl

Ganz auf die Heilkraft der Berührungen setzt das japanische Shiatsu – inzwischen nicht mehr nur bei Menschen, sondern auch bei Pferden mit riesigem Erfolg. Neben Grundkenntnissen der asiatischen Medizin ist vor allem eines wichtig: das eigene Bauchgefühl.

Yin und Yang, Kyo und Jitsu, Fünf Elemente und Dreifacher Erwärmer … Um sich mit asiatischen Heilverfahren beschäftigen zu können, muss man durch diese Begrifflichkeiten erst einmal durch. Da fließt Energie in Meridianen durch den Körper, da kontrolliert das Wasser das Feuer, da können wir mithilfe von Qigong unser Hara aktivieren – Hilfe! Doch das Hineindenken in eine so ganz und gar andere Sichtweise über das Zusammenwirken von Körper, Geist und Seele lohnt sich.

Im alten China wurde ein Arzt nur dann bezahlt, wenn seine Patienten gesund waren. Viele kranke Patienten machten ihn arm. So war es nur clever, wenn er sich nicht allein darum kümmerte, vorhandene Leiden in den Griff zu bekommen, sondern auch alles daran setzte, dass die Menschen gar nicht erst krank wurden – das Grundprinzip der chinesischen Medizin. Als mit dem Buddhismus Mitte des fünften Jahrhunderts vor Christus auch das medizinische Gedankengut Chinas mit in das Land der aufgehenden Sonne kam, entwickelten die Japaner aus der Akupunktur und der chinesischen Massagetechnik Anma eine neue Therapieform, die sie Shiatsu (japanisch für „Fingerdruck“) nannten.

Heilende Hände
Wie reagieren wir, wenn wir jemanden trösten möchten? Intuitiv strecken wir die Hand aus, um die Person zu berühren oder vielleicht auch einen Arm um sie zu legen. Dieses Verhalten ist ein einfacher Beleg für die heilende Kraft unserer Hände – wir müssen uns nur trauen, sie zu nutzen!

Was bewirkt Shiatsu?

  • Stressabbau und Entspannung als beste Voraussetzung für gute Selbstheilung
  • Gelassenheit in Schrecksituationen
  • Lockerung erschöpfter und überarbeiteter Muskeln
  • Lösung von Verspannungen im Genick, Hals und Rücken
  • Linderung von Knochenschmerzen
  • Regulation hormoneller Ungleichgewichte
  • Stärkung der Abwehrkräfte
  • Verbesserung des Verhältnisses zwischen Mensch und Pferd
… und noch vieles mehr!

Der Shiatsu-Behandler arbeitet mit den gleichen Körperpunkten, die auch bei der Akupunktur durch Nadeln stimuliert werden, setzt dabei jedoch seine Finger, Hände und Ellenbogen ein, um auf ganze Meridianverläufe positiv einzuwirken. Darin unterscheidet sich Shiatsu von der Akupressur, die lediglich einzelne Punkte behandelt.

Und was genau bringt das Ganze? Shiatsu wirkt zweifach – auf einer körperlichen und einer energetischen Ebene. Die Druck- und Dehnungsübungen vitalisieren Kreislauf-, Lymph- und Nervensystem, und die Berührung der Haut an bestimmten Punkten setzt Schmerz reduzierende Hormone frei. Beim energetischen Aspekt spielen die Meridiane die zentrale Rolle. In diesem Netzwerk von Kanälen fließt die Lebensenergie Qi durch den Körper.

Wenn Pferde schnurren könnten …
... dann würden sie es bei der grundlegenden Shiatsu- Behandlung garantiert tun. Dieses Wohlfühl- Programm für jedes Pferd besteht aus 14 aufeinander folgenden Grifftechniken, die von sanft streichenden Bewegungen am ganzen Körper über das Schaukeln an Hals und Wirbelsäule bis hin zur Ohrmassage und Dehnübungen der Beine reichen. Wer die individuell beste Shiatsu-Behandlung für sein Pferd finden und gesundheitliche Probleme gezielt angehen möchte, sollte ein wenig tiefer in das Gedankengut dieser Therapieform einsteigen. Jedes Pferd lässt sich von seiner Statur und seinem Charakter her einem der fünf Elemente aus der chinesischen Medizin zuordnen – Erde, Metall, Wasser, Holz und Feuer. So fällt das Feuer-Pferd durch seinen Willen zur Mitarbeit auf, wird aber schnell übereifrig, während das Wasser-Pferd eher ängstlich ist und lange braucht, um Vertrauen zu seinem Menschen zu fassen. Die Shiatsu-Behandlung konzentriert sich auf die Arbeit mit denjenigen Meridianen, die dem jeweiligen Element zugeordnet sind; beim Element Wasser zum Beispiel der Blasen- und der Nierenmeridian. Mit Dehnübungen und Bewegungen mit Händen, Fingern und Ellenbogen arbeitet man vom Anfangs- bis zum Endpunkt des Meridians und konzentriert sich dabei auf die Qualität der zu spürenden Energie. So werden Blockaden gelöst und sowohl körperliche Symptome als auch emotionale Störungen können verschwinden.

Kommt es zu Blockaden, staut sich die Energie. Dadurch ist das Wohlbefinden gestört und der Körper gestresst, Krankheiten können sich entwickeln. Shiatsu hilft, die Blockaden aufzulösen, damit die Energie wieder frei fließen kann.

Das Schöne an dieser Therapie: Jeder Mensch kann Shiatsu geben, und wer es zulässt, seiner Intuition zu vertrauen, kann kaum etwas falsch machen. Das eigene „Bauchgefühl“, viel zu oft von unserem Vernunftdenken unterdrückt, ist ein wichtiges Werkzeug. Mit wie viel Druck wir mit den Händen über den Körper des Pferdes streichen, auf welche Stellen wir uns konzentrieren, wo wir ein wenig länger verweilen sollten – all diese Antworten liefert uns unsere Intuition, wenn wir uns auf sie verlassen. «««

„Schaukelpferd“ einmal anders: Eine der Techniken bei der grundlegenden Shiatsu-Behandlung besteht darin, die Wirbelsäule des Pferdes vom Hals bis zum Schweif zu schaukeln. Achtung: Sanft und vorsichtig beginnen, bis sich das Pferd an das Gefühl gewöhnt. Unterschiede in der Beweglichkeit und Blockaden geben Hinweise auf die später gezielt zu behandelnden Bereiche. Das Beklopfen eignet sich besonders zur Auflösung von Energieblockaden. Bevor Sie beginnen, schätzen Sie den halben Umfang des Fesselkopfes Ihres Pferdes ab – dies ist das Äquivalent zu 1,5 Cun, eine in der asiatischen Medizin zentrale Maßeinheit.

Nun klopfen Sie erst sanft, dann etwas kräftiger über die Rückenmuskulatur des Pferdes vom Widerrist bis zur Kruppe entlang des Blasenmeridians, der 1,5 Cun seitlich der Mittellinie verläuft.

An den Ohrmuscheln sind viele Akupunkturpunkte lokalisiert; daher wirkt eine Behandlung der Ohren stimulierend auf den ganzen Körper. Besonders bei ängstlichen, widersetzlichen oder nervösen Pferden hilft das Reiben der Ohren, um die Tiere zu beruhigen oder Schmerzen zu lindern. Zu Beginn sanft die Ohrbasis mit Daumen und Zeigefinger bearbeiten, dann mit dem Daumen an der Innenseite des Ohres und den anderen Fingern an der Außenseite langsam nach oben wandern. Bleiben Sie eine Weile mit den Fingern an der Ohrspitze und reiben Sie sie sanft zwischen Daumen und Zeigefinger. Hier befindet sich ein Punkt, der speziell bei Stress angezeigt ist und sehr beruhigend wirkt. «««

Alle Meridiane – hier der Blasen- und der Nierenmeridian – laufen in ganz bestimmten Bahnen über den Körper, die man sich für die Behandlung zunutze macht.